Sicherheitsausschuss Bundesrat: EDA out, EVD in?!

Die Institutionen “Sicherheitsausschuss des Bundesrates” (SiA BR), “Lenkungsgruppe Sicherheit” (LGSi) und “Stab des Sicherheitsausschusses des Bundesrates” (Stab SiA) sind den meisten geläufig. Vor einigen Jahren wurden diese Gremien ins Leben gerufen, um bei krisenhaften Entwicklungen, die sicherheitspolitisch relevant sein könnten, rasch und zielgerichtet auf Stufe Landesregierung eine erste Lagebeurteilung vornehmen zu können. Ursprünglich sah die Zusammensetzung des SiA BR wie folgt aus: Chef/in des VBS (Vorsitz), Chef/in des EDA, Chef/in des EJPD. Diese Zusammensetzung wurde damals ausführlich begründet und ist problemlos nachvollziehbar. Aus prinzipiellen Überlegungen können nicht  mehr als drei Departemente im SiA BR vertreten sein. Der SiA BR ist kein Entscheidgremium, sondern nimmt eine erste Lagebeurteilung zuhanden der Landesregierung vor. Nun hat die Zusammensetzung des SiA BR eine Änderung erfahren. Neu sieht die Zusammensetzung des SiA BR wie folgt aus: Chef VBS (Vorsitz), Chefin EJPD, Chef EVD.

Das EDA ist somit im SiA BR nicht mehr vertreten und wurde durch das Volkswirtschaftsdepartement ersetzt.

Naturgemäss wirft dieses einschneidende personelle Revirement Fragen auf. Die Auskünfte aus “Bern” sind sachlich korrekt gehalten. Ein ungutes Gefühl bleibt zurück und zwar aus folgenden Gründen:

  • Gültig ist die Neuregelung seit dem 1. Januar 2011. Noch im SIPOL B 2010 (vom 23. Juni 2010) wird in Ziff 6.1 (Seite 75) die Zusammensetzung des SiA BR in der herkömmlichen Art beschrieben. Bis heute wurde die Neuorganisation offiziell nicht bekanntgemacht, sondern lediglich intern kommuniziert und dann vollzogen. In den Medien findet man gewisse Echos in der Weltwoche (vom 5.5.11) und in der Aargauer Zeitung (6.5.11). Ganz zu befriedigen vermögen die betreffenden Artikel nicht, denn sie vermischen die Begriffe.
  • Eine echte Begründung, weshalb das EDA ausgewechselt worden ist, erhält man nicht. Die Darstellung, wonach das EDA in der LGSi mit zwei hochkarätigen Vertretern nach wie vor präsent sei (Staatssekretär EDA, Chef/in Politisches Sekretariat EDA), täuscht über die Tatsache hinweg, dass sich in den eigentlichen Sitzungen das EDA durch einen nachgeordneten Mitarbeiter vertreten lässt, der über keine Entscheidbefugnisse verfügt. Zudem kann die Vertretung des EDA in der LGSi nicht genügen, ist doch die LGSi dem SiA BR klar nachgeordnet.
  • Im EVD beschäftigt sich vornehmlich das Integrationsbüro EDA/EVD mit eigentlichen Sicherheitsfragen, wobei Europa im Vordergrund steht. Alles, was ausserhalb Europas in sicherheitsrelevanten Dingen geschieht, dürfte kaum vom EVD “kompetent” vertreten werden können. Der Zugriff aufs EDA ist sachlich zwingend.

Erinnern wir uns an den Umgang mit den nachrichtenlosen Vermögen, an den Terroranschlag vom September 2001, an die beklagte Isolation der Schweiz im Rahmen der letzten Finanzkrise – stets war das EDA die entscheidende Schaltstelle oder es hätte sein sollen.

Man kann es drehen und wenden wie man will, es ist zu befürchten, dass es gar keine sachlichen Gründe waren, die einen Wechsel nahegelegt haben, sondern persönliche Animositäten unter Mitgliedern der Landesregierung. Aufgrund der letzten Vorkommnisse (u.a. Geiselaffäre in Libyen) kann man sich sehr gut  vorstellen, dass vielleicht der Chefin EDA zu einem gewissen Zeitpunkt der Kragen geplatzt ist und sie trotzköpfig verkündet hat, sie “trete aus”. Vergessen wir nicht, dass der Vorsitz im SiA BR beim Chef VBS liegt. Nur in der LGSi wechselt der Vorsitz zwischen den drei Departementen jährlich.

Eine Anfrage bei den Präsidenten der sicherheitspolitischen Kommissionen National- und Ständerat fand bis heute kein Echo.

Welches auch immer die echten Gründe gewesen sein mögen, von aussen betrachtet erscheint der vollzogene Wechsel sachlich schwer nachvollziehbar. In jedem Fall dürften sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger “irgendwo” auf der weiten Welt verstreut kaum bestärkt sehen, dass “in Bern” sachgerechtes Krisenmanagement praktiziert wird. Sie werden hoffen, dass im Bedarfsfall trotzdem alles klappt. Nur:  “Hope is not a method” (Gen. Sullivan).

Noch ein Wort zum Stab Sicherheitsausschuss Bundesrat. Er soll per Ende Jahr aufgelöst werden. Nun wissen wir als Generalstabsoffiziere gut genug, dass Stäbe Dienstleistungsorgane sind. Werden sie als ineffizient beurteilt und/oder generieren sie nicht genug Mehrwert, ist es das Recht der Linie, sie aufzulösen. Im Falle des Stabes SiA BR liegt die Sache etwas anders.

Dieser Stab hat sehr viel mehr Pflichten als die klassischen Stabsaufgaben. Es obliegt ihm, kritische, sicherheitsrelevante Herausforderungen rechtzeitig zu erkennen und zunächst in der Lenkungsgruppe Sicherheit zu thematisieren, die dann entscheidet, ob und wann der SiA BR damit konfrontiert werden soll. Wird dieser Stab aufgelöst, findet diese Analyse schlicht nicht mehr statt. Wenn das die Grundidee ist, dann ist das Ende der Lenkungsgruppe Sicherheit absehbar – ob sie durch ein anderes Gremium ersetzt würde, bleibe dahingestellt. Auf die Armee bezogen muss man aber hellhörig bleiben, denn wenn auch die Lenkungsgruppe aufgelöst wird, hat die Armee keine Stimme auf der operativen Stufe mehr und sie läuft Gefahr, von den Politikern zu einem “Selbstbedienungsladen” degradiert zu werden.

Gerade im Lichte der heutigen Diskussionen rundum die schweizerische Sicherheitspolitik im Allgemeinen, den Armeebericht im Besonderen sollte man sich bewusst sein, dass diese Diskussionen an sich intellektuelle Auseinandersetzungen sind, die kurzfristig kaum Auswirkungen zeitigen. Im Gegensatz dazu kann der SiA BR bereits morgen dazu aufgerufen werden, aufgrund einer konkreten Lage, aktives Krisenmanagement betreiben zu müssen. Da ist es entscheidend, dass von Anbeginn die richtigen Köpfe am Tische sitzen und die anderen Mitglieder der Landesregierung in Kenntnis aller Aspekte informieren können. Ausschliesslich departementgefärbte Beurteilungen vermögen nicht zu genügen; es braucht eine departementübergreifende Sicht der Dinge. Dazu braucht es aber nicht ausschliesslich eine politische Lagebeurteilung, auch facts and figures sind gefragt.

Ein ungutes Gefühl bleibt zurück, und es dürfte sich lohnen aufmerksam zu verfolgen, was Ende Jahr, nach der Auflösung des Stabes SiA BR, erfolgt.

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