Beurteilung “Expertise” der SP

Letzten Freitag hat die SP in Zusammenarbeit mit Lutz Unterseher von der “Internationale Studiengruppe Alternative Sicherheitspolitik (SAS)” (Allein die Diskussion, was an der Sicherheitspolitik “alternativ” sein soll, wäre Grund für eine ausführliche Arbeit) die “Expertise” zum Thema “VERANTWORTUNG UND SCHUTZ – ZUKUNFTSFÄHIGE STREITKRÄFTE FÜR DIE SCHWEIZ” vorgestellt. Wir haben uns das Papier genauer angeschaut. Hier unsere Beurteilung.

In den “Prämisse der Sicherheitspolitik” (Seite 7) wird das Bild der guten und reichen Schweiz gezeichnet. Allerdings wird bereits hier sehr flexibel zwischen Aussagen (Fakten) und möglichen Konsequenzen hin und her gewechselt. Aus einer “Vorstellung” für ein “stärkeres Engagement für die  […] Institutionen der Weltgemeinschaft” wird im nächsten Abschnitt sofort abgeleitet, dass “dieses Sich-Einbringen […] auch für staatliche Machtmittel gelten [soll]“.

Die Forderung nach eine Begründung der Existenz einer Streitkraft wird ebenfalls mit dem “sich einbringen” unterlegt. Offenbar sind keine anderen Begründungen nur schon in Ansätzen beurteilt worden.

Die einzige Bedrohung sieht Herr Unterseher in “etwa von ihrer Route abgekommene Sportflieger, Verkehrsflugzeuge in Not, Entführer (auch terroristischer Provenienz) oder Militärflieger eines mit der Schweiz in gutem Einvernehmen stehenden Staates, die deren Luftraum aus Fahrlässigkeit oder Mutwilligkeit tangieren.

Da erstaunt es auch nicht, dass in der Folge diese realitätsferne “Expertise” entsteht. Damit hat sich bereit auf den ersten Seiten die “Expertise” als reines “Gefälligkeitsgutachten” ohne Realitätsbezug herausgestellt. Wir könnten im Grunde hier – nach nur einer Seite – die Analyse beenden.

Nach nicht einmal 2 Seiten (!) ist die äussere Bedrohungslage abgehandelt. Aktuelle Entwicklungen auf dem europäischen Kontinent (Schuldenkrise, Flüchtlingsströme, innere Unruhen) blendet er konsequent aus. Die Realität bleibt aussen vor. Daher erstaunt es auch nicht, dass Unterseher daraus auch keinerlei Aufgaben für eine Bodenarmee ableiten kann… Ah, doch, da lässt sich etwas finden: Eine “symbolischen Funktion” als “sichtbare Sicherheitsvorsorge des Staates, die diffuse Unsicherheitsängste absorbiert“. Die Armee als “Feigenblatt” für die Politik…

Auf Seite 8 offenbart der Autor das Fehlen jeglichen machtpolitischen Know-hows: Aus dem Umstand, dass die Schweiz “an dem zentralen Kreuzweg Europas” liegt, sieht der Autor eine Sicherheitsgarantie, weil alle umliegenden Länder auf unser Wohlwollen angewiesen seien. Eine Begründung fehlt.

Die Aussage Clausewitz’, wonach Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mittel ist, scheint der Autor noch nie etwas gelesen zu haben. Anstatt politisch/wirtschaftliche Risiken zu beurteilen, bleibt er bei rein “militärischen Herausforderungen”. Dem Soldaten spricht er seine defensive Rolle als Verteidiger ab. Stattdessen wird er zum “protector” (Seite 15). Auch hier fehlt eine stichhaltige Begründung.

Richtigerweise sieht Herr Unterseher in einer Freiwilligenarmee keine bessere Personalqualität und tiefere Motivation der Soldaten (Seite 17). Das hindert ihn aber nicht daran, weiterhin dieses Modell zu verfolgen, denn es könnten durch die Reduktion eben Kosten eingespart werden und den Frauen würde das Militär stärker geöffnet (bis zu 18% des Bestandes). Es geht also nicht um eine starke, motivierte Armee, sondern nur um eine günstige Armee. Da wären wir wieder beim “Feigenblatt”.

Für die Rekrutierung des Berufspersonals (Instruktion) seien “keine sonderlichen Anstrengungen” nötig, da der Bestand unter den heute notwendigen Zahl zu liegen komme. Dass sich aber heute manch ein Berufsoffizier erst nach der Rekruten- oder Offiziersschule zu einem solchen Schritt bewegen lässt, wird gefliessentlich übersehen. Und die Freiwilligen der Miliz sollen vor ihrem Wiedereinstieg ins Zivilleben “etwas Vernünftiges” tun. (Seite 19). Militärdienst zu leisten ist demnach etwas “Unvernünftiges”.

Bei den Zahlen verabschiedet sich der Experte definitiv von der Realität in der Privatwirtschaft: Ein Zeitsoldat, der rund während 7,5 Jahren Dienst tut, soll den Bund jährlich 83’000 Franken kosten (inkl. Aufwendungen für die Altervorsorge). Netto sind das also – zieht man einen Faktor von 1,5 zwischen effektivem Lohn und Nebenkosten (AHV, PK, Versicherungen etc.) – zu Hilfe: durchschnittlich rund 53’000 Franken oder 4’400 Franken monatlich. Hier sind verschiedene Dienstgrade, Funktionen oder Gefahren miteingerechnet.

Der Milizsoldat verdient in einem Monat rund 3’400 bzw. 20’400 Franken in seinem Halbjahr, in dem er eingeteilt bleibt. Welche Kosten hingegen Ausrüstung, Munition, Unterkunft, Verpflegung, Treibstoff etc. pro AdA ausmachen, wird nicht genannt. Eine Vollkostenrechnung vermisst man in diesem “Expertenpapier”.

Die positiven Signale dieses Konzeptes (Seite 27) werden primär der “Weltgemeinschaft gegenüber” gesendet. Die Bevölkerung erhält zwar kein verlässliches Gefühl von Sicherheit im eigenen Land mehr (“Feigenblatt”), wird dafür aber “in ihrem Berufsalltag entlastet“. Ob damit auch wirklich das Land sicherer wird und für Gefahren der Zukunft gerüstet ist, bleibt offen.

Wie man mit solchen Aussagen zu einem “Experten” wird, bleibt hier freilich das Geheimnis der SP. Eine Publikationsliste von Herrn Unterseher findet man nicht im Internet. Man fragt sich unweigerlich, wie eine Universität (hier Münster und Osnabrück) den Mut aufbringen kann, diesem Herrn eine Plattform zu bieten. Eine “wissenschaftliche” Arbeit ist das vorliegende Papier sicher nicht. Dafür fehlen für alle Behauptungen nachvollziebare Quellen und Belege. Der Titel “Expertise” bezieht wich wohl einzig darauf, dass das Papier von einem selbsternannten “Experten” stammt. Dass sich die SP solch’ zwielichtiger Personen bedienen muss, zeigt bereits, auf welch’ dünnem Eis sich die Bundesratspartei in der Sicherheitspolitik bewegt. In den eigenen Reihen findet sich offenbar niemand, der auch nur annähernd über die Materie fundiert Auskunft geben kann.

Fazit:

Wer dem Vorschlag der SP folgt, entscheidet sich für eine “Feigenblattarmee”, die “positive Signale” gegenüber der unverantwortlichen internationalen Gemeinschaft aber keine Sicherheit für Land und Leute produziert. Er verlässt sich auf abstruse Zahlenakrobatik und realitätsfremden Bedrohungsannahmen. Ein solches Experiment ist heute verantwortungslos und basiert auf wissenschaftlich unhaltbaren Thesen eines deutschen Fantasten. Die Gruppe GIARDINO prüft ein Gegenpapier – mit eigenen und wahren Experten.

Print Friendly, PDF & Email
Dieser Beitrag wurde unter 2011, Armee, International abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.